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Zu den großen Wundern dieser Welt gehört es, dass Eltern Schmerz wegpusten können. So groß der Schmerz auch gerade ist, sobald Mama und Papa gepustet haben, springt der Kleine wieder auf ins Abenteuer des Spielens. Vielleicht haben sie sich vorher minutenlang abgemüht, das Kind zu überzeugen: „Da ist doch nichts. Das ist doch nicht so schlimm.“ Erst mit dem Pusten hören die Tränen auf. Die „Magie“ des Wegpusten besteht darin, den Schmerz des Kindes für einen Augenblick wahrzunehmen und ernst zu nehmen, bevor er sich dann wie von selbst auflöst.

Wer weder Pusten möchte, aber auch kein Erfolg damit hat, den Schmerz zu beschwichtigen, der kann mit Worten das gleiche Ergebnis erzielen: Indem er das Kind ernst nimmt und es fragt: „Zeig mal her! Wo tut es denn weh? Das ist ja ganz rot! Kannst du den Finger noch bewegen?“

Als Erwachsene haben wir uns nicht verändert. Natürlich wissen wir, dass die Bahn nicht immer etwas dafür kann, wenn sie zu spät kommt. Wir wissen auch, dass sie sich die größte Mühe gibt. Wir wissen auch, dass die Fahrt mit dem Auto durch Stau und Berufsverkehr deutlich unzuverlässiger ist. Dennoch können wir nicht aufhören, uns jedes Mal neu über die Verspätung der Bahn aufzuregen. Wenn DIE DA OBEN doch einfach mal wahrnähmen, was diese Verspätung mir für Probleme bereitet!

Vielleicht hast du schon einmal endlos mit jemanden diskutiert und am Ende hat er immer die gleichen Argumente wiederholt. Du hast ihn einfach nicht verstanden – so glaubt er – und kann einfach nicht aufhören zu reden. Wie wäre es, wenn du ihn vermitteln könntest: „Ich habe dich verstanden. Ich höre dir zu.“ Jemanden zu zu hören und zu verstehen, bedeutet ja nicht, ihm recht zu geben.

Manchmal sind alte Menschen voller Bitterkeit. Es gibt dann beinahe nur noch ein Thema, um das sie sich drehen. Monoton wiederholen sie die gleichen Sätze über Dinge, die schon Jahre und Jahrzehnte zurückliegen. Sie sind dann gefangen in jenem Gefängnis des Schalksknechts, werden von Folterknechten gepeinigt und jegliche Lebensfreude ist aus ihnen gewichen. Wenn jemand nur mal sähe, wie sie leiden und gelitten haben!

Wir wollen wahrgenommen und verstanden werden. Solange werden wir nicht aufhören über die Bahn zu meckern und immer weiter diskutieren. Solange werden wir auch nicht vergeben können. Wenn wir jemanden wahrnehmen, jemanden sehen, dann ist das wie jener „magische“ Moment aus der Kindheit. Der Schmerz wird einfach weggepustet.

Jemanden zu vergeben, bedeutet daher nicht etwas herunter zu schlucken: den Schwamm drüber zu wischen und darüber hinwegzugehen. Die Verletzung, das Unrecht muss zuerst klar angesprochen werden. Die Wahrheit an die rechte Stelle gewiesen werden. Wenn dann der Andere zuhört und versteht, dann ist der Weg frei für die Vergebung. Erst jetzt kommt die Frage dran: „Vergibst du mir?“ Vielleicht ist es dann sogar so, dass dir die Erinnerung in diesem Moment schon entgleitet. Du weißt schon gar nicht mehr genau, was du nicht vergeben konntest und was so sehr wehgetan hat.

DENN DU SIEHST MICH – das ist der Weg, wie wir den verlorenen Bruder, die verlorene Schwester gewinnen, retten können. Wenn wir verloren sind, in unserer Einsamkeit, in unserem Schmerz, in unserer Bitterkeit, dann brauchen wir jemanden, der uns sieht. Wenn wir auf dem Mond geschossen, in die Wüste gejagt, ins Gefängnis gesteckt, in die Schlammgrube geworfen worden sind, dann rettet uns daraus das Herz, das uns wahrnimmt und sieht. Wir können in alltäglichen Situationen zum Retter für unsere Mitmenschen werden, indem wir sehen und verstehen, was sie beschwert.

Es gibt aber einen Retter, der über alle Retter ist. Einer, der uns folgt, auch wenn wir Flügel der Morgenröte nähmen und zum äußersten Meer flöhen. Selbst die Finsternis ist nicht dunkel genug, dass er uns nicht sähen könnte. Er stieg sogar ins Totenreich hinab und gelangt an Orte, die für uns zu mühsam oder verschlossen sind. Als dieser Retter am Kreuz starb, da war es auch, dass er alle unsere Schmerzen, all unser Unrecht und all unsere Verletzungen wahrgenommen und gesehen hat. Er hat es nicht auf die leichte Schulter genommen, sondern durch sein Leiden glaubhaft gemacht: „Es tut mir wirklich leid.“ Während wir einzelne, vielleicht sogar viele gewinnen können, ist er, unser Retter, für alle Menschen gekommen, um zu retten, was verloren ist.

Entdecke die Kraft, die in diesem Vers verborgen ist:
„Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen.“ (Matthäus 18,15)


„Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein –, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.““
Psalm 139, 8-12

Denn es ist kein Mensch so sündig, dass er nicht durch Liebe und Verständnis geheilt werden könnte. Baal Schem Tow.

11 RACHE IST KLEBRIG-SÜSS

"Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten." (Johannes 4,13+14) Zu jedem kostbaren Original gibt es eine billige Kopie. Statt des lebendigen Wassers, das uns kühlt,...

10 UNERHÖRT

"Sündigt aber dein Bruder an dir, so geh hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen." (Matthäus 18,15) Wenn der Andere an uns Unrecht verübt, werden wir zu Opfern. Ein Opfer kann sich oft nicht selbst...

09 GEMEINSAM UNTERWEGS

"Hört er nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei zu dir, damit jede Sache durch den Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt werde." (Matthäus 18,16) "Hört er nicht auf dich", leitet nun die Schritte ein, die notwendig sind, wenn eine Versöhnung und Vergebung...

08 5 PHASEN DER VERGEBUNG

Vergebung auszusprechen und zu empfangen kann ein mühevoller Weg sein. Wenn wir mit jemanden den Weg der Vergebung durchgehen, dann brauchen wir meist 1,5 bis 2 Stunden und müssen gut darauf aufpassen, dass keine Abkürzungen genommen werden. Wir haben 5 Phasen der...

06 ZUHÖREN

"Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen." (Matthäus 18,15) Wenn wir jemanden verletzt haben und an ihm Unrecht getan haben, so sollen wir nicht in ein abgrundtiefes schlechtes Gewissen verfallen und uns überlegen, wie wir das wieder gutmachen können. Wir...

05 GEMEINSCHAFT

Jesus hat uns keine Predigtlehre hinterlassen, auch kein Handbuch für Heilung von Körper und Seele. Jesus hat uns die Grundregeln für ein Leben in Gemeinschaft neu gelehrt. Das Reich Gottes ist nicht zuerst ein spektakuläres Ereignis von Zeichen und Wundern, sondern...

04 Bevor wir vergeben

Petrus ist der Mann, der die Notwendigkeit der Vergebung begriffen hat. Gleichzeitig spürt er, wie schwer es ist zu vergeben: "Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal?" (Matthäus 18,21). Vielleicht fragt Petrus so,...

03 JOKERFACE

JOKERFACE Stille Wasser sind tief. Einige Menschen haben es so sehr verinnerlicht, vergeben zu müssen. Bei ihnen ist kaum eine Regung zu erkennen. Sie sind sehr freundlich, höflich. Manchmal sogar unauffällig. Man bemerkt sie kaum. Sie machen keine Mühe und keine...

02 Vergeben – wie wir vergeben

Als die Israeliten aus Ägypten auszogen, wurden ihnen auf dem Berg Sinai die 10 Gebote offenbart. Auf dem Weg in die kommende Welt verkündigt Jesus auf einem Berg die Grundsätze, die in jener Welt gelten. Diese Grundsätze stellen sich gegen das, was in dieser Welt...

01 Hiob und der Schalksknecht

Und der HERR wandte das Geschick Hiobs, als er für seine Freunde Fürbitte tat. Hiob 42,10 Hiob Hiob hatte allen Grund sich zu beschweren. Ein Sturm durchzog sein Leben - Haus, Hof, Herden: Sein ganzer Besitz wurde zerstört. Seine Kinder getötet. Fiebrig,...

DER WEG DER VERGEBUNG

Wir werden nicht frei und glücklich leben können, solange die Wut in uns brodelt oder schlummert. Als Christen wissen wir, dass wir vergeben müssen – aber wir wissen oft nicht, dass etwas geschehen muss, bevor wir vergeben können. Wie können wir vergeben, was wir nicht vergeben können?