Heute morgen saß ich im Zug nach Pforzheim, um bei den letzten Vorbereitungen für das dreiwöchige Pais: Seminar dabei zu sein. Ich schrieb gerade das Seminar über die Vision von Pais.
Ein junger Mann setzte sich mir gegenüber. Der Zug war voll und ich achtete nicht weiter auf ihn. Er quetschte den Koran in seine zu volle Notebook-Tasche, als er ausstieg. So wie ich auch immer kaum den Reißverschluss zu bekomme bei meinen Taschen.
Ich wollte ihm noch sagen, dass er sich eine Buchhülle kaufen sollte. Denn der Koran ist für die Moslems ein heiliges Buch. Man darf ihn nicht auf den Fußboden legen – und bestimmt ist es eine Sünde, den Koran so hineinzuquetschen, dass er Eselsohren bekommt. Er war zu schnell draußen und so blieb das ungesagt.
Ich fragte mich: Wie gehen wir mit unserem heiligen Buch um? Gerade heute hatte ich überlegt, mir meine verlorengegangene Luther-Taschenbibel wieder zu kaufen. Mit Bibelhülle. Aber ist die Bibel wirklich unser heiliges Buch?
Wir sind geschrieben als ein lebendiger Brief. Das heilige Buch der Christen sind wir selbst. Aber wie gehen wir mit unseren heiligen Buch um? Stoßen wir uns an ihm und stoßen wir es von uns? Machen wir uns lustig über jemanden, weil er anders ist wie wir: Merkwürdig. Grenzen wir ihn aus, weil er eine unausgesprochene Norm nicht erfüllt? Weil er nicht die gleichen Klamotten trägt wie wir? Weil seine Hautfarbe braun ist? Weil er behindert ist? Weil er arm ist? Weil er zu viel redet? Weil er stinkt? Weil er nicht das leistet, was er leisten sollte? Weil er schwul ist?
Wir quetschen unser heiliges Buch nicht nur in unsere Taschen hinein. Wir machen nicht nur Eselsohren hinein. Wir ramponieren es. Wir reißen Seiten aus. Wir legen es in die hinterste Ecke und lassen es verstauben. Wir verbrennen es sogar.
Der Mensch, sogar jeder Mensch ist das Heilige Buch der Christen. Und doch grenzen wir Menschen aus, lästern über sie, verletzen sie und verachten sie. Ja, wir töten sie sogar.
Die Chassidim sagen, dass man von jedem Menschen lernen kann. Wir können von den Moslems lernen, wie wir ein Heiliges Buch richtig behandeln.
Wir sollten uns nicht täuschen: Wer seinen Bruder hasst, hasst Gott. Was jemand einem der Geringsten nicht an Guten getan hat, das hat er Gott nicht an Guten getan.
Gott lässt sich nicht spotten. Er wacht über sein Heiliges Buch, dass da nicht ein Eselsohr hineinkommt.