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Der verborgene Erlöser – Gedanken zu Genesis 2,18

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Ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.

Seit vielen Monaten beschäftige ich mich mit der Genesis und blogge darüber. Manchmal sind es verstörende Gedanken. Ich will gar nicht behaupten, dass sie alle wahr sind. Manches würde ich heute anders formulieren. Ich sehe mich darin mehr wie einen Zwerg aus den alten Zeiten, der in einem Bergwerk arbeitet. Stück um Stück hole ich Erzklumpen heraus. Edelmetalle vermischt mit Steinen. Später einmal werde ich sie noch feiner bearbeiten. Aber auch dann ist es noch Stückwerk.

Andererseits fühle ich mich dabei wie ein kleines Kind, das über einen Käfer in seiner Becherlupe staunt. Fasziniert von dem Wimmeln und Krabbeln. Als ob ich der erste Mensch wäre, der diesen Käfer jemals gesehen hätte.

Dabei geht es mir gar nicht um irgendwelche Spitzfindigkeiten, auch wenn ich mich stundenlang mit einem einzigen Buchstaben beschäftigen kann. Es geht mir darum, das Verborgene zu entdecken: Gott, was ist Dein Herzschlag?

Seit einigen Monaten lese und studiere ich die Gedanken von Menschen, für die die Genesis oder zumindest ein Teil von ihr eine verbotene Schrift war. Es waren Menschen, die sich darum mühten, die Struktur und die Entstehung der Welt zu verstehen. Die eine Erklärung für das Böse in der Welt suchten und die leidenschaftlich nach ihrem Erlöser suchten. Dabei stellten sie umfangreiche Konzepte auf, die unser Denken bis heute noch beeinflussen, oft, ohne dass wir es merken. Ich frage mich, ob ihre Leidenschaftlichkeit uns nicht zum Vorbild werden sollte. Wir geben uns allzu leicht mit der Standardantwort aus Sonntagschulzeiten zufrieden und merken gar nicht, dass Gott etwas für uns verborgen hat.

Wir lesen so schnell über die Bibeltexte hinweg. Wir stören uns an Ungereimheiten im Text und glätten sie einfach weg. Manchmal sind es aber gerade diese Ungereimheiten, die uns einen Einstieg in das Verborgene ermöglichen.

So knabbere ich seit einiger Zeit an dem Vers in Genesis 2,18:
„ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“. Wie unglückselig ist diese Übersetzung von Martin Luther, die viele Menschen dazu verleitet hat, in der Frau etwas Minderwertiges und Zweitrangiges zu sehen. Selbst das Wort „Helferin“ macht es ja nicht wirklich besser. Wenn man schaut, wo dieses Wort noch verwendet wird, dann kann man es auch mit „Retterin“ übersetzen.(1 ) Aber trifft dieses Wort den Sinn dann wirklich? Es bleibt bei mir ein Unbehagen.

Es braucht dieses Unbehagen, das man nicht wegglättet, um zu besseren Überlegungen zu kommen. Was wäre, wenn man dieses Wort so übersetzen würde:

„Ich will ihm eine Retterin machen, indem sie ihm eine Gehilfin ist. Vom Wesen her so, dass sie ihm ähnlich sei und zu ihm passend ist. Eine, die um ihn herum und ihm ein Gegenüber ist. Und ja, wenn er es bedarf auch ein Widerpart.“ (2) (3)

Das ist zwar weit vom hebräischen Satzbau entfernt, aber vielleicht trifft es den Sinn besser als manche der verkürzenden Bibelübersetzung. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja sogar eine grammatikalische Form im Hebräischen, die uns nicht so bewusst ist. Dass ein Wort gleichzeitig mehrere sich bedingende Bedeutungen haben kann.

In Bezug auf die Rolle der Frau sind wir dann immer noch nicht so glücklich. Aber kommen wir einmal zurück zu den Menschen, die so verzweifelt nach dem Erlöser suchen und die glauben, dass eine Antwort darauf auch in den Versen der Genesis verborgen ist. Sie können mit Leib und Seele aussprechen, dass überhaupt nichts gut in dieser Welt ist und dass es eines Retters braucht. Was wäre, wenn dieser Vers die Antwort darauf gäbe?

Vielleicht würden sie es dann so formulieren: Siehe, ich will Euch einen Retter senden. Sein Name wird lauten: Immanuel – Gott mit uns. Er wird uns vom Wesen her so ähnlich sein, dass wir wie Adam ausrufen werden: Ecce homo! Das ist ja ein Mensch! Das ist ja Fleisch von unserem Fleisch. Dieser Retter wird sich all seiner Herrlichkeit und all seiner Privilegien entäußern und wird Knechtsgestalt annehmen bis in den Tod hinein und in allem uns gleich und ähnlich werden. Und doch wird er nicht nach unserem Munde reden, sondern uns immer wieder ein Widerpart sein. Er wird unser Retter sein, indem er unser Gehilfe ist.

Jene Menschen, die so sehr nach dem Messias suchen, sagen, dass es keine neue Offenbarung gibt. Dass es nichts gibt, was Moses und Jesaja nicht schon gewusst hätten und was nicht schon am Berg Sinai offenbart worden wäre. Auch Jesaja hatte eine Sicht über den Retter, den Gott senden wird:

„Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart? Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen. Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben, dafür dass er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.“ Jesaja 53 (Eigentlich mag ich keine kompletten Kapitel zitieren, aber ich wusste nicht, welchen Vers ich weglassen sollte).

Moses und Jesaja beschreiben den Retter, den Erlöser, den Messias also auf gleiche Weise als jemanden, der Retter und Gehilfe gleichzeitig ist. Als einer, der Retter ist, indem er die Knechtsgestalt annimmt.

Und das kann auch gar nicht anders sein. Auf unterschiedliche Weise kann man das Dilemma beschreiben, dass das Böse nicht durch Gewalt überwunden werden kann. Dass der Retter nicht als eine triumphierende Gestalt auftreten kann. Das ist nochmal an anderer Stelle zu erläutern.

Für die Frau ist das vielleicht immer noch keine zufriedenstellende Übersetzung, aber vielleicht tröstet es, dass sie auf eine Stufe mit dem Erlöser gestellt wird!

Blogbeitrag als PDF:

http://dl.dropbox.com/u/342908/aspringhut/der_verborgene_erloeser_gen_2_18.pdf

Quellen:

(1) „Ein ‚Retter aus diesem Zustand‘ lautet die wörtliche Bedeutung des Begriffes … Es ist nicht so, dass er Überstunden machen musste, um sich um den Garten zu kümmern, und dass Gott deshalb Mitleid mit ihm hatte und ihm eine Magd gab, die er herumkommandieren konnte.“
„Der Gebrauch des Wortes ‚helfen‘ im Sinne von ‚retten‘ zieht sich durch das ganze Alte Testament. … Aber dieses Wort (´ezer) wird regelmäßig verwendet, um Gott als Retter aus menschlichen Notsituationen zu beschreiben. (vgl. Ex 18,4; Ps 33,20; 70,5; 115,9-11 etc.). In diesem Sinne ist ein ‚Helfer‘ nicht jemand, auf dessen Hilfe man zurückgreift, weil sie bequem und annehmlich ist, sondern weil sie die einzige Bedingung zum Überleben darstellt.“ Gilbert Bilezikian: Gemeinschaft, S. 19f

(2) „Ist sein Betragen ein würdiges, wird sie ihm zur Lebensgefährtin, wo nicht soll sie gegen ihn ankämpfen.“ Raschi, Kommentar zu Genesis 2,18

(3) Mögliche Übersetzungen: „die um ihn wäre“ (Luther), „ihm entsprechend“ (Elberfelder), „zu ihm passte“ (Gute Nachricht), „ihm Gegenpart“ (Buber), „die dem Menschen entsprach“ (Einheitsübersetzung), „der zu ihm passte“ (Neues Leben), „suitable“ (NIV), „that was right for him“ (NIV Readers), „meet for him“ (KJV), „qui soit son vis-à-vis“ (Segond 21), „similis eius“ (ähnlich), (Vulgata), „seines Gleichen“ (Unrevidierte Elberfelder)