Die beiden Fremdlinge
Im hundertneunzehnten Psalm spricht der Psalmensänger zu Gott: „Ein Fremdling bin ich auf Erden, verbirg mir nicht deine Gebote!“
Zu diesem Vers sagte Rabbi Baruch: „Wer in die Ferne verschlagen wird und in unbekanntes Land gerät, der hat mit keinem Menschen Gemeinschaft und weiß sich mit keinem zu unterreden. Wenn da aber ein zweiter Fremdling erscheint, mag auch dessen Heimat eine andere sein, die zwei können miteinander vertraut werden und verweilen fortan mitsammen und sind einander zugetan. Und wären sie nicht beide Fremdlinge, sie wären einander nicht nahegekommen. Das meint der Psalmist: ‚Du bist wie ich ein Fremdling auf Erden auf Erden und hast deiner Einwohnung keine Ruhestatt: so entziehe dich mir nicht, sondern enthülle mir Deine Gebote, dass ich dein Freund werden kann'“
aus Martin Buber: Die Erzählungen der Chassidim, S. 181
Manesse Verlag, gebunden, 848 Seiten, ca. Eur 26,90