Seite wählen

Ist Jesus häßlich?

Was für eine Frage: Ist Jesus häßlich? Wer mich kennt, weiß, dass in einem Lied nur das Wort „beauty“ vorkommen muss in Bezug auf Gott, damit ich anfange zu träumen. Gott ist schön. Wunderschön. Da ist keiner so wie Er. Natürlich haben wir Gott nicht gesehen, aber wir können seinen Charakter sehen – und wir können die Dinge sehen, die er liebt.

In Jesaja 52 heißt es nun, dass Jesus häßlich sei: „Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt hässlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder…“ Jesaja 52,14

Das ist der Auftakt zur gewaltigen Stelle über das Leiden und die Auferstehung Jesu, so wie es im Alten Testament sonst nie so klar angekündigt wird. Diese Stelle hat mich nicht mehr losgelassen. Insbesondere als Christopher Jäschke in unserer Haverim-Zeit sagte, dass dieses Wort „häßlich“ im Urtext nur noch einmal in der Bibel vorkommt: In 3. Mose 22,24 wird es beschrieben, um die Opfertiere aus der Hand der Ausländer als „häßlich“ zu kennzeichnen.**

Die Häßlichkeit, die Jesus entstellt, ist die gleiche Häßlichkeit, die entsteht, wenn man von Ausländern Opfertiere annimmt.

Was Jesus in den Augen seiner religiösen Mitmenschen so unendlich häßlich gemacht hat, ist, dass er Gemeinschaft mit den Sündern gehabt hat. Er hat mit ihnen gegessen, was immer eine Art heilige Gemeinschaft ist. Jesus hat das Brot und den Wein aus der Hand von Sündern, Ausgestossenen, schmutzigen und häßlichen Gestalten angenommen. Das ist, was die Mitmenschen so sehr empört hat.

Die Gleichnisse vom Verlorenen Schaf, der Verlorenen Münze und den Verlorenen Söhne beginnen damit, dass seine Mitmenschen sich über Jesus empören: „Du machst Dich häßlich! Du isst mit den Sündern und Zöllnern.“ Tatsächlich lautet eine „alte Regel: Der Mensch geselle sich nicht zu einem Gottlosen … selbst nicht, um ihn der Torah zu nähern.“ Denn „weil du dich mit dem Gottlosen verbündet hast, reißt Jahve deine Werke ein.“*

Jesus erzählt daraufhin die drei Gleichnisse und wirbt: Jeder, jeder von Euch würde doch nach der verlorenen Münze suchen oder nach dem verlorenen Schaf! Warum nur gebt Ihr Eure Söhne über Jahre verloren und laßt sie darben in einem fernen Land? Warum laßt Ihr das verlorene Volk in Stich?

Seine Mitmenschen haben gedacht, sie gefallen Gott, wenn sie sich von den Sündern und Unreinen distanzieren. Jesus aber wußte: Gottes Reich kann nur kommen, wenn er sich häßlich macht: Wenn er die Gemeinschaft mit den Verlorenen, Kaputten, Verbitterten, den Gemeinen sucht und wenn etwas von ihrem Image und Ruf auf ihn abfärbt. Deshalb ist Jesus häßlich geworden.

Wir haben heute auch die Menschen, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Menschen, die wir meiden, weil sie uns sonst häßlich machen könnten. Weil andere sonst sagen könnten: „Was gibst Du Dich denn mit dem ab? Bist Du einer von denen?“ Es gibt die Menschen am Rande, die Ausgestossenen, die Sündenbocke. Die, die man verachtet oder lächerlich macht. Willst Du es riskieren, zu ihnen zu gehören? Willst Du es riskieren, dass andere Dich ab nun häßlich finden? Dass Du nicht mehr der Rede wert bist?

Was wird man über Dich sagen: „Er war beliebt bei jedem“ oder „Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Der war häßlich.“?


* Strack, Hermann L. / Billerbeck, Paul: Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch zu Lukas 15, 1+2
** Blue Letter Bible
photo: Wald unter Wasser (c) zabalotta / photocase.com