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Wie ich die Bibel studiere

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Ich habe in der Bibel immer wieder viele spannende Entdeckungen gemacht. Ich habe etwa herausgefunden, dass „Fremder, Fremder“ das Spottwort war, das über Elias Leben hing. Ein großer Teil meines Bibelstudiums besteht aus nachvollziehbaren Schritten. Nur wenig hat mit meiner Persönlichkeit und Begabung zu tun (aber ein wenig schon), so dass Du es mit Übung auch tun könntest und zu Deinen ganz eigenen Entdeckungen kommen könntest. Heute will ich erzählen, wie ich die Bibel studiere. Ich bin gespannt, was Du entdecken wirst.

Ich habe mich gefragt, wer wohl der Vater von Elia und fand wenig mehr als „Elia, der Tischbiter aus Tischbit“.

Folgende Schritte gehe ich dann:
Den Text in allen Sprachen und Übersetzungen auf bibelserver.de lesen, die ich annähernd verstehe. (Deutsch, Englisch, Französisch, Latein). Leider kann ich weder Hebräisch noch Griechisch, aber durch die verschiedenen Übersetzungen bekomme ich ein Gefühl dafür, was im Urtext gemeint ist und wo die Schwierigkeiten liegen können, wenn es viele verschiedene Übersetzungen gibt. (Beispiel: „die um ihn sei“ aus Genesis 2,18)

Früher habe ich einzelne Worte auf bibelkommentare.de nachgeschlagen, um dort herauszufinden, wie die Worte im Urtext an anderen Stellen benutzt worden sind. Heute benutze ich dafür die Blue Letter Bible. (Strong Verzeichnis) (Beispiel: „Gehilfin/ Retterin“ aus Genesis 2,18)

Auf Blue Letter Bible lese ich dann manchmal noch die Kommentare und Lexikoneinträge. Dabei suche ich besonders nach der Bedeutung von Namen.

Auf jeden Fall schaue ich nach, was Rashi dazu zu sagen hat. Rashi ist im Jüdischen der maßgebliche Kommentar und vermutlich der einflussreichste der Welt. Leider gibt es keine deutsche Ausgabe mehr. Den gesamten Kommentar von Rashi gibt es im Internet.

Entweder auf der Blue Letter Bible oder bei Rashi fallen mir einzelne Stichworte auf, nach denen ich dann gezielt googele. Manchmal, weil es unklar ist oder um verschiedene Meinungen zu bekommen. Besonders suche ich dabei auch nach rabbinischen Quellen aus dem Talmud. Damit bin ich dann eine Weile beschäftigt und komme manchmal von einer Quelle zur anderen. Bei Rashi oder bei den jüdischen Quellen nachzuschauen, ist meine persönliche Vorliebe. Du wirst genügend christliche Quellen finden können.

Die ganzen Ergebnisse notiere ich mir in einer Mindmap mit Quellenangabe, da es gerade im Englischen so viele Quellen gibt, das ich irgendwann vergesse, wo ich etwas gefunden habe. Das war bisher die erste Ebene, die einfache Bedeutung, der Bibelstudienmethode Haverim.

In der zweiten Ebene der angedeuteten Bedeutung suche ich danach, an was mich insbesondere die Person erinnert. Wo gab es die Situation schon mal in der Bibel oder woanders? Wenn Elia ein Fremder in einem fremden Land ist, dann erinnert mich das an den Verlorenen Sohn. Er teilte genau dieses Schicksal. Was haben diese beiden gemeinsam und was unterscheidet sie? Dabei kommen oft erstaunliche Ergebnisse heraus.

Manchmal schaue ich die Parallelstellen nach oder wo einzelne Begriffe, Ort, Zahlen etc. noch vorkommen.

Oft ist das Erinnern auch kein bewusster Akt, sondern es fällt mir spontan ein.

In der dritten Ebene, der ausgelegten Bedeutung, versuche ich das Typische einer Person oder Situation zu erspüren und sie eine andere, vielleicht heutige Situation zu verlegen. Habe ich etwa in der ersten Ebene herausgefunden, dass „Elia, der Tischbiter aus Tischbet“ nicht einen Ort „Tischbet“ bezeichnet, sondern „Tischbet“ eigentlich von „toshav“ kommt und „Fremder“ bedeutet, dann frage ich mich, wie Elia das erlebt hat, immer und überall als der Fremde bezeichnet worden zu sein. Ich stelle mir dann vor, wie Elia von Kindern umschwärmt wird, die ihn „Fremder, Fremder“ rufen und dass da kein Erwachsener ist, der sie zurückhält. Ich erinnere mich an Elisa, der von Kindern mit „Kahlkopf, Kahlkopf“ verspottet wurde und sie verfluchte. Auf einmal „weiß“ ich, warum Elia so furchtbar wütend und jähzornig war. Er war ein Fremder in einem fremden Land und anders als dem Verlorenen Sohn gelingt es ihm nicht (mehr?) sich „Freunde“ mit Geld zu erkaufen. Es bleibt ihm nur noch, sich in Gott zu fliehen. Ein Glaube, der wütend ist und wütet.

An diesem Punkt angekommen, werde ich manchmal unsicher und fange von vorne an: Kann ich das über Elia sagen, den größten aller Propheten: Ein Glaube, der wütend ist und wütet? Kann ich das belegen durch andere Schriftstellen oder andere Kommentatoren? Als es um Elisa und die verfluchten Kinder ging, war ich erschüttert und richtig niedergeschlagen, wie christliche Quellen Elisa auch noch rechtfertigen, während jüdische Quellen klar benennen, dass Elisa im Unrecht ist, als er die „Bären auf die Kinder hetzt“ und das aus einem Wald, den es gar nicht gibt. Elia wird von vielen jüdischen Kommentatoren als „Hitzkopf“ bezeichnet, der von Gott besänftigt werden muss.

In der vierten Ebene, der inspirierten Bedeutung, geht es um das Reden Gottes, Intuitionen und Offenbarungen. Es geht um das Geheimnis einer Bibelstelle oder einer Person. Gerade wenn ich mich durch die drei anderen Ebenen gearbeitet habe, dann arbeitet es manchmal (sehr heftig) in mir. Wenn ich etwa Widersprüche noch nicht auflösen kann oder ich nicht weiß, wie ich das in meinem Buch ausdrücken soll. Manchmal „fällt“ es mir dann irgendwann ein oder ich kann etwas sehen, was mir vorher verborgen war. Wohl mehr als einmal habe ich von der Lösung geträumt. Wusstest Du etwa, dass Tamar, die von ihrem Bruder vergewaltigt worden ist, vermutlich die Menschheitsgeschichte gedreht hat?

Bei dieser Ebene hilft mir, dass ich manchmal ein Gespür dafür habe, was Menschen ausmacht, in seinen feinen Nuancen und was bei ihm mitschwingt. Auch biblische Personen waren einmal ganz normale Menschen.

Ich habe mein Vorgehen hier sehr strukturiert beschrieben und so gehe ich auch vor, wenn ich keine Spur habe. Manchmal fällt mir auch irgendwann im Laufe des Tages etwas ein und dann arbeitet es mir: „Elia ist ja wie …“ oder meine Gedanken überschlagen sich und die Ebenen geraten durcheinander und werden erst hinterher wieder „aufgeräumt“.
Ich glaube wichtiger als eine Methodik ist die Bereitschaft nach dem Verborgenen zu suchen und sich nicht mit Meinungen zufriedenzugeben, auch wenn sie jeder glaubt. Wenn Gott zeigt, dass er nicht im Feuer ist, dann muss man ein dickes Fragezeichen setzen, wenn Elia Feuer vom Himmel fallen lässt. Wenn die Münze und das Schaf bis zum Letzten gesucht werden, dann frage ich mich, warum der Vater den Sohn über Jahre in der Fremde verrotten lässt und nicht einmal einen Versuch unternimmt, den Sohn zu suchen.

Ich würde mich auch weniger als jemanden beschreiben, der nachdenkt und versucht, Schlussfolgerungen zu finden, als vielmehr als jemanden, der beobachtet und wahrnimmt und Zusammenhänge und Muster zu sehen. Ich versuche, nicht zu schnell einfache Lösungen für scheinbare Widersprüche zu finden, sondern zu erspüren, wie beide Seiten eines Widerspruchs auf eine größere Wahrheit hinweisen.

Und etwas ist besonders wichtig: Wer Gott finden will, der muss glauben, dass er ist und denen, die ihn suchen ein Belohner ist. Ich muss erwarten, dass Gott es immer gut mit mir meint, so unverständlich er mir zunächst auch erscheint. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ich in die Irre gerate.

Wer eine systematische Einführung in meine Art des Bibelstudiums sucht, dem sei das Buch von Paul Gibbs empfohlen: Haverim.

Paul Gibbs
Haverim
The Four Lost Levels of Study
144 Seiten als Paperback und als Ebook.

haverim.paisdeutschland.de

Die komplette Studie über Elia wird es in meinem Buch „Kinder sind keine Hunde“ geben. Da wirst Du noch einige spannende Dinge über Elia erfahren.