Wie kannst Du etwas Mutiges, etwas Herausragendes für Jesus tun? Was würdest tun, wenn Du etwas riskiertest für Jesus? Wenn es Dich etwas kostete, mehr vielleicht als Dir lieb ist?
Bei dieser Frage denke ich zunächst an Dinge, wo es hoch hinausgeht, etwas Besonderes zu tun. Etwas, was jeder sieht. Wenn ich mir jedoch Jesus anschaue, dann sehe ich: Jesus will nicht in die Höhe streben, sondern sein Weg geht eher in die Tiefe.
So wie es in Philipper 2 beschrieben ist: Jesus hat es nicht als ein gefundenes Fressen betrachtet, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und wurde zum Menschen. Und nicht nur zum Menschen, sondern zum Knecht. Nicht nur zum Knecht, sondern als einer, der für uns am Kreuz gestorben. Jesus hat auf alle seine Privilegien verzichtet.
Dabei musste ich an die ersten Verse der Bibel zu denken: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Als Gott dabei war anzufangen, schuf er Himmel und Erde. Als Gott dabei war, über sich selbst hinaus zu gehen, da schuf er Himmel und Erde.
Als Gott Himmel und Erde geschaffen hat, da hat er sich verletzlich gemacht. Wann immer jemand etwas macht, dann gibt es immer eine ganze Menge Stimmen, die klagen, nörgeln: Warum hast Du das nur gemacht? Wie dumm war das nur? Wie ungerecht? Wie ungeschickt?
Wer etwas tut, riskiert Besserwisserei zu empfangen, meist von denen, die auf der Couch sitzen und nichts tun. Tatsächlich muss Gott sich eine ganze Menge gefallen lassen. Die Liste der Warum’s und Vorwürfe an Gott ist lang. Man kann darüber diskutieren, ob zurecht oder nicht – und es ist lange diskutiert worden.
Allerdings: bei allen diesen Diskussionen habe ich nie gehört, dass Gott gesagt hätte: „Das reicht jetzt! Ich habe genug. Ihr habt ja so etwas von keine Ahnung!“ Viel mehr ist es ja gerade so: Wir fragen „Warum?“ und Gott gibt keine Antwort. Wir schmeißen ihm alle Verletzungen und Vorwürfe an den Kopf – aber er reagiert gar nicht.
Zum ersten Mal ist mir bewusst geworden, was für ein gesunder und heiler Charakter Gott ist. Wie cool er einfach ist. Er muss sich nicht rechtfertigen. Er hat nicht das Bedürfnis, sich zu verteidigen. Wenn uns das an den Kopf geknallt würde, dann reagierten wir vielleicht wütend. Wir würden unser Herz verschließen und verhärten. Wir zögen uns zurück. Wie anders ist Gott! Er lässt sich nicht nur die Vorwürfe an den Kopf knallen. Er sorgt sich gleichzeitig um den, der ihn das an den Kopf knallt. Er hat eben nicht nur sich selbst im Blick, sondern den anderen – und weint um ihn.
So will ich auch sein!
Eigentlich geht es bei diesen Gedanken um folgende Bibelstelle – und hier angekommen, fragte ich mich: Wo ist eigentlich noch der Bezug dazu?
Und es begab sich, als Jesus diese Gebote an seine zwölf Jünger beendet hatte, dass er von dort weiterging, um in ihren Städten zu lehren und zu predigen. Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert. Matthäus 11, 1-6
Was wir in den letzten Wochen herausgefunden war: Johannes ist – wie später auch das Volk Israel irritiert. Er ist ins Zweifeln gekommen: Jesus ist der Messias und er ist mein Cousin. Warum holt er mich nicht aus dem Gefängnis. Seine Frage ist: Bist Du wirklich der Messias oder habe ich mich getäuscht? Das Volk Israel leidet unter der Herrschaft der Römer. Jesus ist einer von ihnen, ihr Volksgenosse. Warum befreit er uns nicht von der Herrschaft der Römer? Bist Du wirklich der Messias? Gerade die, die ihn am besten kennen. Die über ihn Zeugnis als den Messias abgelegt haben, gerade die kommen ins Zweifeln.
Jesus sagt zu Johannes: Ja, ich bin der Messias, aber ich werde Dich nicht aus dem Gefängnis befreien. Gleichzeitig sagt er damit dem Volk Israel: Ja, ich bin der Messias, aber ich werde Euch nicht von der Herrschaft der Römer befreien. Jesus sagt: Es ist nicht recht, dass ich Dich befreie, weil es ein höheres Ziel gibt. Jesus ist bereit, die Erwartungen von Johannes und des Volkes Israels zu enttäuschen, um ein höheres Ziel zu erreichen. Er ist bereit, unsere Erwartungen zu enttäuschen, wenn er uns dadurch zu einem größeren Ziel führen kann.
Jesus riskiert dabei, dass sich Johannes und das Volk Israel an ihm ärgern werden. Er riskiert, dass wir uns an ihm ärgern werden. Er ist bereit dafür, dass wir all unseren Frust, unsere Wut und unsere Enttäuschung auf ihn abladen – und so ist es dann ja auch gekommen. Wir ärgerten uns an ihm, weil er nicht unsere Erwartungen erfüllte, wir verrieten und wir kreuzigten ihn.
Das alles erträgt Jesus. Er hat diesen heilen und gesunden Charakter. Er lässt sich unsere Wut, unseren Ärger gefallen. Aber mehr als das: Im gleichen Moment sorgt er sich um Johannes, das Volk Israel und um uns: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert!“. Fast so, als ob er uns anflehte: Ich weiß, dass Dein Leben manchmal eine harte Nummer ist, aber bitte, setze alles daran, dass Du Dich nicht an mir ärgerst. In dem Moment, als er am Kreuz stirbt, betet er: „Vater, vergib‘ ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ In dem Moment, in dem wir zutiefst mit uns selbst beschäftigt wären, da macht Jesus sich Sorgen um den anderen, der ihn gerade kreuzigt.
Wie kann ich etwas Mutiges für Jesus tun? Indem ich etwas tue und dabei nicht auf mein eigenes Ansehen achte. Wenn ich etwas tue, was andere vielleicht erstmal irritiert. Dass ich in ihren Augen vielleicht der Dumme bin. Und wenn ich mich dann nicht darum sorge, wie ich dann trotzdem gut da stehe, sondern mich um den anderen sorge und überlege, wie er gut aus der Situation heraus kommt.
„Ich will Dich mehr erkennen, Gott, Jesus, wie Du bist. Was Du für einen heilen und gesunden Charakter hast. Denn je mehr ich Dich sehe, umso werde ich Dir ähnlicher!“