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DONNERSCHLAG

Elia war wie ein Rausch. Nun war der Tag der Entscheidung. Über Jahre herrschte Finsternis und Gottlosigkeit in Israel. Der Himmel verschloss seinen Segen und die Dürre im Land war nur ein Sinnbild für den Zustand der Gesellschaft.

Wie konnte eine Welt – die so paradiesisch gedacht war – so finster werden? Und wie können wir einen Ausweg finden aus dieser Situation? Wie können wir das Böse überwinden? Das ist immer noch die Frage, die mich begleitet.

Elia war vertraut mit den Kräften Gottes. Er betete und es regnete nicht für 3 Jahre und 6 Monate und er betete nochmal und es begann zu regnen.

Er stellte sich vor dem Mann, der ihn töten konnte und bedrohte ihn. Und ging seines Weges. Und dann kam jener Tag, der ihm seinen Platz in der Kinderbibel sicherte. 450 Propheten des Bösen tanzten, schrieen und ritzten sich, damit Feuer vom Himmel fiel. Elia zuckte nur mit den Achseln und verspottete sie: „Ihr müsst lauter schreien, denn möglicherweise schläft euer Gott gerade.“ Kurz bevor er das Feuer vom Himmel herunterbetete, füllte er viele Eimer mit seinem Spott und schüttete ihn über die Propheten des Bösen, so dass sie triefnass vor Spott waren.

Elia war jemand, der mit gewaltiger Hand das Böse besiegte. Er deklassierte und entzauberte es. „Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und hat einen Triumph aus ihnen gemacht.“ Er war jemand, der endlich mit starker Faust auf den Tisch schlug und eingriff. Er war der Held, der Superheld.

Das Böse ist ja keine theoretische Figur. Das Böse, das Leid und die Gewalt greifen in jedem Moment in das Leben unschuldiger und schuldiger Menschen. Es ist mit dem Bösen ja nicht so wie mit dem Rasen, der mal wieder gemäht werden muss, sondern es bedroht und schnürt uns ein. Wie können wir das Böse loswerden?

Und so sind die Superheldengeschichten wie die von Spiderman, Superman, X-Men, Batman & Co. auch mehr als nette Unterhaltung. Sie sind Gedankenspiele von Menschen,
die immer wieder die Gewalt in ihr Leben einbrachen sahen: Vor deren Augen ihre liebsten Menschen aus der Wohnung geschleift und gemordet wurden. „Wie kann man das Böse überwinden?“ schreit es aus ihnen heraus. Aber je mehr sie ihre Gedanken entwickeln, umso mehr ahnen sie auch: Wie können wir überhaupt noch gerecht sein in diesen ungerechten Zeiten? Und wie kann man das Böse überwinden, ohne selbst zum Bösen zu werden?

Elia gelingt es, das Böse zu überwinden und er tötet die 450 Propheten des Bösen. Aber dann scheint es, als ob ihm seine eigene Courage überwältigt. Voller Angst flieht er in die Wüste und fällt in ein tiefes Loch. Und dann geschieht etwas, was sich mit den Worten Hiobs umschreiben läßt: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen.“ Dieser Mensch, der Gott nahe war wie kaum ein anderer, der mit den Kräften Gottes vertraut war wie sonst nur Moses, dieser Mensch versteht auf einmal, dass Gott nicht im Feuer, im Erdbeben, im Sturm, nicht in der Gewalt, sondern im Sanften des Windes zu finden ist. Dass die Kräfte Gottes nicht dazu gedacht sind, eine faszinierende Show zu bieten und mit eiserner Faust das Böse zu durchbrechen. Er erkennt, dass er böse geworden ist, als er das Böse besiegen wollte.

Wir sind als Menschen in diese Welt gestellt, die dazu berufen sind, das Böse zu durchbrechen: die Gefängnisse aufzuschließen, Menschen in die Freiheit zu führen, sie zu trösten, zu heilen. Sie neu zu machen.

Das kann auf übernatürliche Weise geschehen, durch Wunder und Zeichen. Oder es kann durch Wunder und Zeichen geschehen, die Menschen ganz alltäglich in ihrem ganz alltäglichen Leben vollbringen. Wenn sie etwa im Pais: Projekt aktiv sind und Tag für Tag Kindern und Jugendlichen begegnen, die sonst vielleicht niemanden haben, der sie ernst nimmt. Das können die Veränderungen sein, die geschehen, wenn junge Menschen im Mentoring begleitet werden.

Wir werden dazu die Kraft Gottes in unserem Leben erfahren und wir erfahren sie schon. Das ist gar nicht die Frage, ob die Kraft Gottes in unserem Leben wirkt oder wirken kann. Die Frage ist, ob wir DIE MENTSCHEN SIND, die mit dieser Kraft umgehen können. Oder ob die Kraft uns in ein tiefes Loch fallen läßt, aus dem wir womöglich nicht mehr herauskommen.

Die rabbinische Literatur kennt ein Gleichnis, das uns davor warnt, über de Kraft Gottes verfügen zu wollen, ohne der Mentsch zu sein, der damit umgehen kann. Sie erzählt von einem Rabbi, der dabei stirbt. Einem, der dabei irre wird. Einem, der vom Glauben abfällt. Und nur von einem, der gesund und heil dabei bleibt.

Es ist schwer, die Bibel zu verstehen, wenn man es für einen Skandal hält, dass Jesus ein Jude war und man sich bemüht alles Jüdische an Jesus zu übermalen. Als Deutsche haben wir theologisch gesehen äußerst schlechte Voraussetzungen.

Man muß und kann Jesus auch als einen jüdischen Menschen verstehen, einen Rabbiner, der mit der Kraft Gottes vertraut ist. Aber wie wird er mit dieser Kraft Gottes umgehen? Wird er wie Elia in einen Rausch verfallen und Zeichen um Zeichen, Heilung um Heilung, Wunder um Wunder das Böse dieser Welt demaskieren? Wird er es sich gefallen lassen, wenn die Menschen ihn umjubeln und zum König machen wollen? Wird er einziehen in diese Welt wie ein Triumphator? Wird Jesus zum Bösen werden, während er das Böse bekämpft? Wird er irre werden an seiner Macht wie so viele vor ihm und nach ihm? Ja, wird er auch nur einer in der Reihe vieler sein, die das Gute wollen und das Böse schaffen und einer, der kommen wird, um zu rauben, zu schlachten und zu töten?

Von dieser Frage handelt die Geschichte von der Versuchung Jesu. Von einem Menschen, der vom Geist Gottes an den Rand seiner Kräfte gebracht wird. In einer Wüste, ausgemergelt, ausgedörrt, hungernd.

Mit Superkräften. Mit Leichtigkeit könnte er seine Not beenden. Er müsste nur eigenmächtig über die Kraft Gottes verfügen. Er müsste nur jenem Impuls dessen folgen, der ihn daran hindern will, das zu tun, wozu er berufen ist. Vielleicht wäre Jesus dann auch noch heute bekannt als Wunderheiler, als weiser Mann. Aber es hätte alles keine Bedeutung gehabt. Er wäre der Anti-Christ.

Jesus ist der Mann, der eine Legion Engel rufen kann, um ihm vor dem Tod am Kreuz zu bewahren, aber er ist der Mentsch geworden, der stark genug war, genau das nicht zu tun. Er hat den Gehorsam gelernt, die Kraft Gottes nicht zu seinem eigenen kleinen Vorteil zu benutzen.

Jesus war größer als Elia, Moses und all‘ die anderen Männer Gottes und wir sollen größere Dinge tun als Jesus. Und doch war sein Weg und damit unser Weg ein anderer. Er kam als unser Gehilfe in diese Welt, als unser Knecht und Sklave. Er kam zu uns und war unter uns. Er kam uns nahe und wurde uns zu einem Gegenüber. So sehr, dass wir wie Adam aufschrieen: Das ist ja Mensch! Das ist ja Fleisch von meinem Fleisch!

Die erste Krise im Paradies wurde zum Sinnbild dafür wie Gott die letztliche Krise lösen wird: „Ich will ihm eine Retterin machen, indem sie ihm eine Gehilfin ist. Vom Wesen her so, dass sie ihm ähnlich sei und zu ihm passend ist. Eine, die um ihn herum und ihm ein Gegenüber ist. Und ja, wenn er es bedarf auch als Widerpart.“

Jesus war der Superheld, der wahre Superheld. Er ist nicht nur das Gedankenspiel eines Erlösers. Er ist der Messias. Er ist der Held, dessen Sinnbild die Krippe ist, abgeschoben in einen Stall in einer übervollen Stadt voller Trubel. Er hielt es nicht für ein gefundenes Fressen, Gott gleich zu sein. Er achtete nicht auf seinen kleinen Vorteil, sondern er entäußerte sich selbst. Er nahm Knechtsgestalt an. Er wurde gehorsam, bis zum Tod am Kreuz. Und deshalb ist er zu dem Mentschen geworden, der mit der Kraft Gottes umgehen konnte. Deshalb ist er zum Helden geworden. Zum Erlöser.

„Jesu ganzes Dasein ist Übersetzung der Macht in die Demut. Aktiv gesagt: in den Gehorsam gegen den Willen des Vaters, wie er sich in der jeweiligen Situation ausdrückt. Diese Situation ist aber im Ganzen wie im Einzelnen, so, dass sie die beständige ‚Entäußerung ‚ fordert. Der Gehorsam ist für Jesus nichts Zweites, Hinzukommendes, sondern bildet den Kern seines Wesens.“

Guardini nennt Jesus den neuen Menschen. Den Menschen, der gelernt hat, mit seiner Macht zu leben.

Und deswegen ist er auch derjenige durch den „die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt“ wurden. Durch ihn wurde aus ihnen ein Triumph gemacht.


Die ganze Reihe MENTSCH WERDEN – Wie gehen wir in angemessener Weise mit dem um, was uns anvertraut worden ist?
#0 Vier MENSCHEN || #1 FUNKENSCHLAG || #2 DONNERSCHLAG || #3 GEERDET
#4 UNTER STROM || #5 FEUER VOM HIMMEL


Bibelstellen:
1. Könige 16, 18 + 19
Jakobus 5,17 +18
Kolosser 2,15
Hiob 42,5
Jesaja 61
Johannes 6,15
Johannes 12,12
Johannes 10
Matthäus 4, 1-11 // Lukas 22, 43
Matthäus 26,43
Hebräer 5,8
Johannes 14,12
Genesis 2,23 // Johannes 19, 5
Genesis 2,18
Philipper 2, 11-15

Quellen:
Der Jesus-Skandal: http://www.hamburger-kunsthalle.de/archiv/seiten/jesus.html
www.paisdeutschland.de
„Our Rabbis have taught, four entered into the Pardes. They were Ben Azai, Ben Zoma, Aher, and Rabbi Akiba. Ben Azai gazed and died. Of him it is written, „precious in the eyes of HaShem is the death of his pious ones“ (Tehilim 116, 15). Ben Zoma gazed, and went insane. Of him, it is written, „have you found honey, eat your share lest you become full, and vomit it up.” (Mishlei 25, 16). Aher became an apostate. Rabbi Akiba entered, and exited in peace.” Hagigah 14B

Romano Guardini: Die Macht, S. 122