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Was macht eine gute Predigt aus? Einige bewerten Predigten in Form von Gummibärchen und zählen damit die Länge ihrer Langeweile. Andere sagen: Man darf über alles predigen, nur nicht über 20 Minuten. Wobei es auch Pastoren gibt, denen man nur 12 Minuten gibt.

Gerade in den letzten Jahren wurde viel in die Predigt investiert. Powerpoint, Videos, Eisbrecher und viele andere Hilfsmittel sollen die Langweile aufbrechen. Aber wenn ein Eisbrecher nicht regelmässig fährt, dann friert der Fluß schnell zu und es fügt sich ein monotoner Strom von Worten an den anderen und irgendwie treibt man in seinen Gedanken fort und denkt an das Fernsehprogramm von gestern Abend oder was auch immer.

Anderen Predigern sind diese Hilfsmittel ziemlich schnuppe und sie reihen einen Predigtpunkt zusammenhangslos an den anderen und tatsächlich sind das manchmal gar nicht die schlechtesten Predigten.

Andere wieder können vom Predigen gar nicht genug bekommen und sie nutzen jede Gelegenheit: „Predige so oft Du kannst – und wenn nötig benutze dafür Worte.“ Aber selbst Franz von Assisi hat die Tiere um sich versammelt, um ihnen zu predigen.

Um die Predigt ist es nicht gut bestellt, wie man sieht. Wenn es nur darum geht, die Menschen zu faszinieren und ihre Aufmerksamkeit nicht zu verlieren: Was hat das für einen Wert? Und so ist man versucht, sich den Worten des Franz von Assisi anzuschliessen und zu schweigen. Und tatsächlich ist unser Leben die kraftvollste Predigt, die wir haben.

Mit der Predigt ist so, wie mit der Erziehung von Kindern. Man kann noch so auf sie einreden, man könnte sie sogar prügeln (aber das wäre ja komisch, wenn man Menschen im Gottesdienst prügelte), sie tun einfach nur das, was man ihnen vorlebt. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Eigentlich ist das in der Erziehung ein recht entspannender Gedanke: Man kann nicht viel falsch machen. Wie sehr man sich auch anstrengt, die Kinder geraten gerade so, wie man selbst ist.

Wie sehr man sich auch anstrengt, nach der Perikope zu predigen, einem Predigtplan, der sich alle 6 Jahre wiederholt, am Ende kommt doch immer die eine Botschaft unseres Lebens dabei heraus. Es ist die Art, wie wir das Leben sehen, Gott und unsere Mitmenschen.

Wir haben bei Pais das Talmidim-Prinzip wiederentdeckt: „Bedecke Deinen Kopf mit dem Staub des Rabbis.“ Das meint, das man einen Menschen so sehr in den Alltag hinein folgt, dass der Staub, den jemand beim Gehen aufwirbelt, auf den Kopf herunterrieselt. Es geht nicht darum sonntags hohe Worte von der Kanzel zu hören, sondern Dich im Alltag zu erleben: Wie lebst Du als MENTSCH? Wie gehst Du mit Deiner Zeit um? Wie mit Deinem Geld? Wie reagierst Du in Krisen? Wenn es Dir richtig schlecht geht? Und wie, wenn es Dir richtig gut geht?

Aus diesen Dingen wird unsere Predigt sprechen. Lauter als unsere Worte es je vermögen und dröhnender als uns lieb ist. Und wenn es tatsächlich Menschen gibt, die unserer Predigt zu hören, dann werden wir erleben, wie Stück um Stück Eigenheiten und Dinge aus unserem Leben in ihrem Leben auftauchen. Das ist zunächst ein erschreckender Gedanke, weil es nicht nur die guten Dinge sind, die wir wiederfinden werden, sondern alle und eben auch die Schlechten. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig: Wir können noch so theologisch bewandert sein und noch so geschliffen reden, die Menschen werden immer nur die Botschaft unseres Lebens verstehen. Das ist für mich der größte Ansporn zur Heiligung: dass mein Leben eine gute Botschaft ergibt.

Dabei geht es nicht um Perfektion. Die Botschaft Jesu – und um die soll es ja gehen – ist ja nicht, dass wir immer alles richtig machen und einem Idealbild entsprechen. Vielmehr lautet sie: Wir sind Menschen, die oft versagen und Fehler machen. Wir haben hohe Ansprüche an uns selbst und hängen allzuoft hinter ihnen her. Und trotz alledem haben wir Frieden mit uns selbst und mit Gott. Weil da einer war, der uns mit uns selbst und mit Gott versöhnt hat und dafür gesorgt hat, dass nicht unsere Anstrengungen und Leistungen über den Wert unseres Lebens entscheiden.

Was für eine Botschaft spricht aus Deinem Leben und aus Deinem Handeln?
– Nur wenn ich alles richtig mache, bin ich es wert, geliebt zu sein?
– Nur wenn andere mich mögen und ich deren Anerkennung bekomme, dann bin ich wertvoll?
– Nur wenn ich es zu was gebracht habe, dann bin ich wer?

Wir müssen die Predigt unseres Lebens verstehen und wir müssen dem Heiligen Geist Raum geben für eine neue Botschaft in unserem Leben. „Er gab ein neues Lied in meinem Mund“ heißt es in etwa in den Psalmen.

Aber selbst das ist noch nicht die hohe Kunst der Predigt. Unsere Worte müssen eine Erklärung zu unserem Leben sein. Unsere Predigt gelingt, wenn sie eine Erklärung zu unserem Handeln ist. Es ist eine Versuchung, wenn wir einfach nur ein Vorbild sein wollen und unser Leben eine Predigt ohne Worte sein soll. Die Menschen um uns herum brauchen unsere Worte, damit sie unsere Botschaft verstehen und selbst umsetzen können.

Um wieder mit Pais-Worten zu sprechen: Die Menschen sehen, WAS wir machen, aber seltener WIE wir das machen und kaum das WOZU. Sie sehen nur das Äußere, aber sehen nicht immer auf welche Weise wir das erreichen und sie verstehen zunächst nicht die Motiv und Prinzipen, die uns bewegt haben, so zu sein und zu handeln. Wir müssen ihnen das erklären.

Es ist das, was einen Menschen zu einem guten Prediger, einem Lehrer und einem Rabbi macht: Wenn er erklären kann, was sein Leben bedeutet. Wenn er Menschen in seinen Alltag mit hineinnimmt und diesen erklären kann: „Schau mal, in der Situation habe ich darum so und so gehandelt“. Oder noch besser, wenn er gefragt wird: „Du hast Dich so und so verhalten und so und so gehandelt. Wie machst Du das und wozu?“.

Nicht jeder kann diese Antwort geben. Weil er sein Leben selbst noch nicht reflektiert hat. Oder weil ihm das biblische und theologische Verständnis fehlt, sein Leben mit dem Wort Gottes in Verbindung zu bringen. Das ist dann die hohe Kunst der Predigt und darin muss er sich üben. Vielleicht muss er dazu Exegese-Übungen machen, vielleicht muss er seine Wortwahl schärfen und lernen, gute Bilder zu finden. Aber er darf nie vergessen, dass das nie das Eigentliche ist, sondern immer nur Hilfsmittel.

Was mich derzeit bewegt, ist der Gedanke, wie wir zum MENTSCHEN werden können. Wie wir jemand werden, der in angemessener Weise damit umgeht, was ihm anvertraut wurde. Angelehnt an GEERDET gilt für heute: Eine gute Predigt entsteht nicht, indem man einen Haufen Kommentare und Auslegungen wälzt und an geschliffenen Formulierungen arbeitet. Sie gelingt nicht von der hohen Kanzel herab. Unsere Predigt gelingt, wenn wir mitten im Leben stehen, in Beziehungen zu anderen Menschen und sie unser Leben sehen können.

Das eben ist die Vision von Pais: Die Predigt und das geistliche Leben aus den Kirchenmauern zu befreien und es mitten in unsere Gesellschaft hineinzubringen. „Mitten im Leben von Schülern“ war nur ein Anfang und ein Beispiel. In welche Bereiche der Gesellschaft wirst Du Deine Botschaft hineintragen? Komm‘ mit uns und lerne die Botschaft Deines Lebens vom Heiligen Geist formen zu lassen, sie zu verstehen und sie zu erklären!