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FEUER VOM HIMMEL

Wie gehen wir in angemessener Weise mit dem um, was uns anvertraut worden ist? So deute ich in der Reihe MENTSCH WERDEN die alte Geschichte von den Vieren, die in das PaRDeS eingetreten sind, in das Paradies oder in die Gegenwart Gottes. Einer davon starb, einer davon wurde wahnsinnig, einer verleugnete den Glauben und nur einer ging heil hinein und wieder hinaus. Über die ersten Beiden habe ich schon geschrieben. Nun geht es um den Dritten. Sein Name war Elisha Ben Abuya Aher. Wie die anderen Drei war er einer der größten Rabbiner aller Zeiten. Er war vollkommen in Gottesfurcht, Weisheit, Disziplin und geistlichem Reichtum. Und doch fiel er in die tiefsten Tiefen und verleugnete alles, was ihm wichtig war. Was war passiert?

Man muss sich bewusst machen, dass hier nicht irgendjemand gefallen ist. Wenn dieser geistlich herausragende Mensch fällt, muss ich nicht umso mehr besorgt sein, nicht zu fallen? Es geht auch nicht darum, mit dem Finger auf ihn zu zeigen, sondern an ihm den Stolperstein zu finden, an dem ich stolpern könnte.

Rabbi Ariel Bar Tzadok – der mich zu der Reihe MENTSCH WERDEN inspiriert hat – schreibt, dass Elisha das Sod, das Geheimnis Gottes entdeckt hat. Damit war er nun der Meinung, dass ihm alles erlaubt sei. Für den, der das Sod entdeckt hat, erscheint das Pschat, das Oberflächliche, zu einem winzigen Punkt zusammenzuschrumpfen. Elisha tat alles, sogar das Gegenteil vom Willen Gottes. Aber das Sod verliert niemals sein Pschat. Wenn wir noch so sehr in der Wolke sind, dass die Linie uns zu einem Punkt geworden ist, so dürfen wir die Linie doch nie verlieren. (Und wenn Du weder weißt, was Sod noch Pschat ist noch weißt, was Wolke, Punkt und Linie bedeuten, so vergisst Du diesen Absatz einfach.)

Eine andere Deutung wäre, dass Elisha trotz aller Frömmigkeit mit einer ungeheuren Wut in das PaRDeS getreten ist – und so hat die Wut und die bittere Wurzel in ihm all das Gute, was er gesehen und empfangen hat, in ihr Gegenteil verwandelt. Die Bitterkeit hat die Gaben Gottes verunreinigt. Darüber will ich an anderer Stelle einmal schreiben.

Was hat Elisha gesehen, als er das brillante Licht Gottes gesehen hat? Vielleicht war er wie einer, – und hier verlasse ich die Person des Elisha – der eine Wahrheit erkannt und von ihr geblendet worden ist. Er hat nur noch diese eine Wahrheit gesehen und ist darüber blind gegenüber allen anderen Wahrheiten geworden. So jemand hat den Diamantensplitter seines Leben erkannt und ist so sehr gebannt davon, dass es nur noch diesen einen Splitter und keinen anderen geben kann.

Die unerbittlichsten Menschen sind die, die eine Wahrheit erkannt haben, oft ja nur einen Teilaspekt der Wahrheit. Sie fühlen sich dann so sehr im Recht, dass ihnen nun jedes Mittel erlaubt scheint. Das gilt für religiöse Wahrheiten. Das gilt für politische Wahrheiten. Das gilt für Wahrheiten im Tier-, Umwelt- und Klimaschutz. Das gilt im Nachbarschaftsstreit. Der Zweck heiligt die Mittel, heißt es für sie. Für die höhere Sache sind sie bereit bis zum Letzten zu gehen. Ein derart Geblendeter tötete ohne mit der Wimper zu zucken die Ungläubigen. Er ließe das FEUER VOM HIMMEL fallen.

Nun will ich nicht den Gläubigen an sich, den politischen Aktivisten oder den Streiter für den …schutz unter einen Generalverdacht stellen. Ich will noch nicht einmal mit dem Finger zeigen auf den, der Abtreibungsärzte erschießt, Unschuldige im Selbstmordattentat in den Tod reißt, auf Befehl hin riesige Gefangenenlager errichtet oder Mordaufrufe für Tierquäler verbreitet. Sie alle sind überzeugt, dass sie einer guten Sache dienen, und tun doch genau das Gegenteil davon.

Es geht um die Frage: Wo bin ich so sehr davon überzeugt im Recht zu sein, dass ich bereit bin, alle anderen und alles andere links liegen zu lassen? Wo gibt es nur noch meinen Weg und wo habe ich aufgehört, auf andere Menschen zu hören und mich belehren zu lassen? Vielleicht endet dieser Weg nicht in Mord und Totschlag, aber in Rechthaberei, in Unbarmherzigkeit und in Lieblosigkeit und damit wie bei Elisha genau im Gegenteil von Gottes Willen.

Und vielleicht muß ich mir die Frage stellen: Wo bin ich derart verblendet, dass ich bereit bin, jemanden zu töten und meine damit sogar, Gott zu dienen? Jemanden zu töten, bedeutet in den Maßstäben der Bergpredigt jemanden zu hassen und ihn einen Idioten zu nennen. Wo hat sich die Wut in mir angestaut?

Und so sind wir auch im ganz Privaten angelangt: in der Beziehung zu denen, die uns vielleicht sogar am liebsten sind. Wenn wir jemanden etwas nicht vergeben wollen, wenn wir wollen, dass das Recht an einer Person vollzogen wird, dann sind wir gebannt, gefangen von einer Wahrheit: In der Regel ist die Wahrheit ja auf unserer Seite, der Andere hat uns ja unrecht getan. Aber wenn wir von dieser Wahrheit so gebannt sind, dann tun wir genau das Gegenteil von Gottes Willen.

Wo ist ein Sturm in unserem Leben aufgezogen? Wo ist ein Feuer entzündet, das wir nicht bereit sind zu verlöschen? Wo meinen wir sogar, dass dieses FEUER VOM HIMMEL und der Sturm Gottes ist? Gibt es eine Möglichkeit, ein derartiges Feuer zu löschen, einen solchen Sturm zu stillen? Oder ist es für einen solchen Menschen und damit für seine Umwelt nicht lange zu spät?

Einer der mahnendsten Bibelstellen ist für mich Psalm 81, 12+13:
„Aber mein Volk gehorcht nicht meiner Stimme, und Israel will mich nicht. So hab ich sie dahingegeben in die Verstocktheit ihres Herzens, dass sie wandeln nach eigenem Rat.“

Wenn wir von einer Wahrheit derart gebannt sind, dass wir nicht mehr bereit sind zu zuhören, dann ist unser Herz verstockt. Dann laufen wir direkt in unser Unglück und hören nicht einmal die Warnschreie. Wir müssen zuhören. Wir müssen belehrbar bleiben. Selbst wenn wir Gott begegnet sind und die Wahrheit selbst erkannt haben.

Wie gehen wir in angemessener Weise mit dem um, was uns anvertraut ist? Diese drei Großen haben uns etwas gelehrt:

Wir müssen in Gemeinschaft mit anderen verbunden sein. [ GEERDET ]

Wir müssen das Anvertraute in unserem Leben einsetzen und anwenden.
[ UNTER STROM ]

Wir müssen belehrbar sein und anderen zuhören. [ FEUER VOM HIMMEL ]


Die ganze Reihe MENTSCH WERDEN – Wie gehen wir in angemessener Weise mit dem um, was uns anvertraut worden ist?
#0 Vier MENSCHEN || #1 FUNKENSCHLAG || #2 DONNERSCHLAG || #3 GEERDET
#4 UNTER STROM || #5 FEUER VOM HIMMEL