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Gut genug!

[Teil 6 der Blogreihe: WAS ES BEDEUTET, EIN SPRINGHUT ZU SEIN]
Der böse Tag, die Zeit der Krise kommt manchmal wie ein Sturm, der Felsen zerbricht, wie ein Feuer vom Himmel und wie ein Erdbeben. Die ganze Wucht schlägt auf uns ein. Wenn es derart hart auf hart kommt, dann wissen wir: Wir müssen jetzt kämpfen. Unheimlicher ist es, wenn das Böse schleichend in unser Leben kommt, sich wie ein Nebel auf uns legt und wie ein Gift uns lähmt. Dann bemerken wir manchmal gar nicht den Ernst der Lage. Wir fühlen uns vielleicht niedergeschlagen und einfach nur unwohl und wissen gar nicht so recht, was mit uns ist. Spätestens wenn wir den Nebel und das Gift realisieren, dann wissen wir: Es ist Zeit zu kämpfen und die unheimliche Last abzuschütteln.

Ob es nun der offene Kampf oder der schleichende Angriff ist: „So steht nun fest“, sagt Paulus: „Ergreift die ganze Waffenrüstung Gottes!“ Der Brustpanzer der Gerechtigkeit ist ein Teil dieser Waffenrüstung. Gerechtigkeit ist unser Schutz in Zeiten der Krise.

Was bedeutet es, ein Mensch der Gerechtigkeit zu sein? Was bedeutet es, gerecht zu sein? Manchmal sind es gerade die christlichen Kernbegriffe, die uns so vertraut scheinen, deren Bedeutung wir gar nicht so recht verstehen. Sie sind uns so selbstverständlich geworden, dass wir vergessen haben, sie zu erklären.

Schützt uns das, wenn wir andere Menschen gerecht behandeln? In einer gewissen Weise schützt uns das, weil wir dann weniger Böses von diesen Menschen zu erwarten haben. Meint Gerechtigkeit dann, dass wir alle gleich behandeln? Oder bedeutet Gerechtigkeit nicht viel mehr, dass jeder das bekommt, was er braucht, auch wenn es weniger oder mehr ist als das, was ein Anderer bekommt?

Gerechtigkeit bedeutet zunächst weniger, dass wir gerecht handeln, als dass wir gerecht sind. Dass wir jemandem gerecht werden, seine Erwartungen an uns erfüllen und ihm entsprechen. Viele Menschen suchen ein ganzes Leben lang, ihrem Vater gerecht zu werden. Seine ausgesprochenen und unausgesprochenen Erwartungen zu erfüllen. Für allzu viele ist das eine tiefe Wunde: Nie haben sie das Gefühl, gut genug zu sein.

Da ist dann kein Panzer der Gerechtigkeit. Schutzlos sind diese Menschen dann den offenen oder schleichenden Angriffen ausgeliefert. Sie werden umgeworfen oder ihnen wird der Boden unter den Füssen weggezogen: „Wieder einmal bin ich nicht gut genug gewesen!“

Gerecht zu sein, bedeutet die Gewissheit zu haben, gut genug zu sein. Gerade dann, wenn uns etwas misslingt und gerade dann, wenn wir dabei sind zu scheitern und zu versagen. Diese Gerechtigkeit ist weniger eine Leistung als etwas, was uns durch den Vater zugesprochen werden sollte: „Du bist und bleibst mein Kind. Was immer auch passiert.“ Wer diesen Zuspruch erlebt hat, der ist stark in der Krise. Der weiß: Was immer auch passiert, es wird mich nicht umwerfen. Die Gewissheit, gut genug zu sein in den Augen des Vaters, das ist ein Panzer der Gerechtigkeit.

Wer diese Stärke der Gerechtigkeit in sich hat, der kann ein Springhut sein, selbst wenn er umgeworfen wird und am Boden liegt. Nach einer kurzen Zeit des Verschnaufen springt er wieder auf. Wer diese Gerechtigkeit nicht in sich hat, der wird erbittert darum kämpfen: Allen Menschen und eigentlich zuerst immer seinem Vater will er beweisen, dass er gut genug ist. Immer höher steigt er etwa die Karriereleiter, immer höher häuft er seinen Berg der Statussymbole an. Alles, was er tut und scheint es noch zu gut und fromm, so fürsorgend auszusehen, ist ein erbittertes Kämpfen darum, endlich gut genug zu sein. Das ist dann ein Panzer der Selbstgerechtigkeit. Statt eines stabilen Schutzes hat er dann einen brüchigen Panzer. Ein Schutz, der nur so weit reicht, wie die eigene Kraft und das eigene Vermögen reicht. So stark und vermögend jemand auch immer sein mag, es wird immer eine Zeit in unserem Leben kommen, die über seine Kräfte geht.

Wenn wir auch die schlimmsten Krisen und die bösesten Tage überstehen wollen, dann brauchen wir eine Stärke in uns, die unabhängig ist von unserer Kraft, unabhängig von unserem Vermögen und unabhängig von unserer Leistung ist. Auch haben nicht alle Menschen so einen Vater oder Menschen in ihrem Leben, der ihnen zuspricht: „Du bist gut genug für mich, was auch immer geschieht.“

Ich spreche dann „von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.“ (Römer 3, 22-24). In sehr knappen und zusammengedrängten Worten redet Paulus hier von dem Schicksal und der Erfahrung des Menschen, dass er mit all dem, was er tun und leisten kann, eben nicht gut genug gerade vor Gott ist. Eigentlich sollten Gottes Augen über uns glänzen, aber wir genügen ihm einfach nicht: Wir sind einfach nicht gut genug und nicht gerecht vor Gott. Diese Erkenntnis mag schmerzhaft sein und vielleicht kämpfen wir deswegen mit Hand und Fuß gegen Gott. Aber ist es nicht so, dass wir dieses Ungenügen tief in uns spüren? Dass Gott uns das ja gar nicht nachweisen muss, weil es uns allzu bewusst ist, auch wenn wir es verdrängen wollen?

Aber das ist ja nicht das, worauf Paulus hier hinaus will. Denn trotz all unseres Ungenügen hat Jesus mit seinem Tod am Kreuz eine Gerechtigkeit erwirkt, die ganz und gar unabhängig von uns selbst ist. Es geht gar nicht mehr um uns selbst, sondern um Jesus. Es mag sein, dass ich mit dem, was ich bin und tue, nicht gut genug bin. Aber darauf kommt es nicht mehr an. Weil Jesus am Kreuz starb, bin ich gut genug.

Da können dann die feurigen Pfeile der Vorwürfe auf uns prasseln. Welcher Stein auch auf uns geschleudert wird, er trifft dann zuerst auf Jesus und er gibt uns dafür ein: „Du bist genug für mich. Du bist wertgeschätzt in meinen Augen.“ Das ist der eigentliche Panzer der Gerechtigkeit und der Kampf besteht für uns darin, den Panzer der Selbstgerechtigkeit abzulegen und uns ganz und gar in den Panzer der Gerechtigkeit Gottes zu bergen. Wenn uns ein Vorwurf trifft, ihn nicht mit: „Ja, aber ICH …“ abzuwehren, sondern vielleicht sogar zu sagen: „Du magst sogar recht haben, aber JESUS …“

Wenn unser Wert also nicht davon abhängig ist, was wir tun, sondern von einem Ereignis, das nicht mehr verändert werden kann, dann gibt es nichts mehr, was uns dauerhaft umwerfen kann. Einfach deswegen, weil es nicht mehr an uns hängt.

Wenn man die moderne Form eines Panzers, die Schussweste, anschaut, dann wird deutlich, dass es nicht um ein immer fröhliches Leben geht. Wenn ein Polizist von einer Kugel getroffen wird, so kann es ihn umwerfen. Dann ist es sehr schmerzhaft und es entsteht ein blauer Fleck. Dass er getroffen wurde und Schmerzen hat, heißt nicht, dass er getötet worden ist. Den Brustpanzer der Gerechtigkeit zu tragen, bedeutet nicht, dass uns die verletzenden Vorwürfe nichts ausmachen. Immer wieder werden wir ganz schön daran zu schlucken zu haben und manchmal wirft uns das richtig um. Aber das uns das schmerzt, heißt nicht, dass wir tödlich getroffen worden sind.

Die meisten Menschen wachsen in dem Bewusstsein auf, dass sie gut genug sein müssen in den Augen anderer und damit auch Gottes. Das ist so tief in uns verwurzelt und verankert, dass die Botschaft Gottes geradezu etwas Fremdartiges und Unbegreifliches ist. Wir müssen das Bewusstsein, dass wir gut genug sind, trainieren und einüben. Jeder Schlag, der uns trifft, ist dann eigentlich ein Trainingsschlag. Er gibt uns die Gelegenheit stärker zu werden. Stell‘ Dir das mal vor: Da ist jemand angetreten, um Dich zu treffen und Dir zu schaden und am Ende wirst Du noch stärker dadurch. Wie frustrierend ist es dann gegen Dich zu kämpfen!

Diese Trainingseinheit ist einer der Wichtigsten und Grundlegenden, aber auch hier gilt: Du musst das nicht alleine trainieren. Suche Dir einen Trainer, einen Mentor oder einen Coach. Der wird Dir helfen stark zu sein.


Die Trainingseinheiten:
Studiere insbesondere den Anfang des Römerbriefes (und später auch die anderen Briefe von Paulus, um zu verstehen, was es bedeutet, gerecht vor Gott zu sein.

Meditiere die Stationen des Leidens Jesu am Kreuz.

Werde Dir bewusst, wo Du einen Panzer der Selbstgerechtigkeit trägst und lege ihn ab, indem Du darüber Busse tust.

Dass ist es letztlich, was es bedeutet, ein Christ zu werden: Das Leben nicht mehr aus eigener Kraft und Vermögen zu leben, sondern sein Leben, Jesus anzuvertrauen. Dieses Anvertrauen beginnt mit einem Gebet, indem Du formulierst, dass Du dieses „Gut-genug“ immer wieder mit Deinen Mitteln gesucht hast und dass es Dir leid tut. Frage Jesus, dass er Dir hilft, dieses Genug durch ihn zu finden und dass er Dein Leben neu macht.