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Sitting Here (c) by Cydonna | Photocase Kains Coach – die Frage

Mit nur wenigen, knappen Versen wird die Geschichte des ersten Mordes in der Menschheitsgeschichte erzählt. Der Zuhörer erfährt kaum Details über das Davor und Danach. Wie lebten Kain und Abel vor diesem Tag – und wie war es für Kain danach in der Fremde? So verbleibt die Frage nach dem Warum auch im Dunkeln: Warum hat Kain Abel umgebracht? Weil seine Werke böse waren, sagt Johannes.

Aber war Kain böse von Grund auf? Ist er zum Bösen gemacht worden? Hatte Kain eine Wahl? Hätte Kain seinen Bruder auch nicht töten können?

Auf den ersten Blick gibt die knappe Erzählung wenig Details preis. Aber wenn wir uns die Worte näher anschauen, merken wir Unregelmäßigkeiten. Das fängt schon mit seiner Mutter Eva an: Sie hat einen Mann gewonnen mit Hilfe des Herrn. Einen Mann. Wirklich? Einen Mann und nicht einen Sohn? Brauchte sie einen Mann? Einen Ehemann, weil Adam nicht da war? Nicht für SIE da war? War Kain IHR Sohn, den sie erworben hat wie ein Besitz, wie es auch sein Name sagt? (Kain heißt Besitz). Geht an dieser Stelle schon alles schief?

Und dann ist Kain der Erstgeborene, aber wer wird zuerst genannt? Abel, der Schäfer. Ist Abel schon jetzt der Bevorzugte, vielleicht sogar seines Vaters? Gar aus Rache gegen Eva, die sich IHREN Mann geschnappt hat?

„Abel, Abel, Abel, Abel hier und Abel da. Immer nur Abel. Erst war Kain der Einzige, aber dann kam Abel. Und alles drehte sich nur noch um ihn. Das ist doch unfair!“ Erstgeborene kennen diese Gedanken nur zu gut. Vielleicht sind das auch die Worte, die in Kain dröhnen. Und dann kommt der Tag, wo er Gott begegnet, wo Gott ihn zurechtweist und herausfordert:

„Warum ergrimmst du? Und warum senkst du deinen Blick? Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.“

Und jetzt habe ich eine Frage an Dich:
Kain hat gerade das Wort von Gott empfangen und ist auf dem Weg zu Abel. Du bist ein Coach und triffst ihn auf diesem Weg: Wie verläuft Dein Coaching?


Im Anschluss an diese Frage gab es eine heftige Diskussion: Sollte ein Coach ohne Auftrag arbeiten? „Für mich als Coach gilt ganz klar: Ohne Auftrag durch einen Menschen arbeiten ist Schwarzarbeit. Das mach ich nicht. Dann arbeite ich mich für den anderen ab.“, sagte ein befreundeter Coach. Das hat mich aufgebracht: „Erst hat Kain keinen Vater – und dann hat er auch noch keinen Coach. Warum ist denn da keiner, der ihm hilft? Wo ist denn sein Vater, seine Mutter in dieser drängendsten Stunde seines Lebens? Haben wir ihm nicht mehr zu sagen als: „Du musst erst verloren gehen, damit Du mich dann um Hilfe bittest“?“

Jemand anderes brachte dann auf: Stelle Dir vor, Kain hat folgende Frage an Dich:
„Ich spüre diesen unbändigen Zorn, Hass in mir und bekomme Angst vor mir selbst und meinen Gedanken. Was kann ich tun, was ist Dein Rat für mich?“

Die Frage, ob der Coach einen Auftrag braucht, ist damit nicht beantwortet. Im Allgemeinen stimme ich dem natürlich zu. Aber hier ist zumindest der Auftrag Kains an den Coach.

(Und ja: Zu Kains Zeiten gab es keinen Coach. Aber war Kain wirklich so festgelegt in seiner Bosheit? Gäbe es einen anderen Weg für ihn? Das ist die Frage, um die es hier geht.)


Melanie Möllenbruck: Steinmauer in Schweden So würden mein Coaching für Kain aussehen:
Kains Coach: Die Steine

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Photo (c) Cydonna | photocase.de