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Am Tag, da ER, Gott, Erde und Himmel machte,
noch war aller Busch des Feldes nicht auf der Erde,
noch war alles Kraut des Feldes nicht aufgeschossen,
denn nicht hatte regnen lassen, ER, Gott über die Erde.
Eher kommt ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein Deutscher die Bibel versteht.
Die Deutschen sind schlaue Leute. Dem Volk der Dichter und Denker ist es nicht zumutbar, den Märchenkram der Bibel zu glauben. So dachte man jedenfalls und so machten sich deutsche Theologen daran, die Bibel von allem Mythologischen (so nannten sie es) zu befreien.
„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben.“ Rudolf Bultmann, 1941
Die Schöpfungsgeschichte geht da gar nicht. Als ein gebildeter Mensch muss man sie als ein Märchen abtun. Von wegen wissenschaftlicher Erkenntnis, Evolutionstheorie und so.
Mehr oder weniger zufällig taten die Deutschen das in einer Zeit, in der nicht nur sie sehr judenfeindlich eingestellt waren.
Das beides sind sehr schlechte Voraussetzungen, um die Genesis auch nur annähernd zu verstehen.
Gelangweilt liest man so über Genesis 2,4 hinweg: Am Tag, da ER, Gott, Himmel und Erde machte … denn nicht hatte regnen lassen, ER, Gott, über die Erde …“ „Märchenbuch! Überholt!“
Das kann man nur sagen, wenn man vergisst, wer die Genesis wann geschrieben hat. Es waren Juden, gerade in Gefangenschaft, versklavt, zu einer Zeit, in der man den Löwen vorgeworfen oder ins Feuer geschmissen wurde, wenn man seinen Überzeugungen treu blieb und sich weigerte, andere Götter anzubeten. (Für seine Überzeugungen unter Lebensgefahr einstehen, ist auch nicht gerade eine Kernkompetenz der Deutschen).
Gott machte Himmel und Erde, zu einem Zeitpunkt, den ER bestimmte. Er ließ es regnen. Jedes Wort ist ein Treffer. Jedes Wort ist ein Angriff gegen die Mächtigen jener Zeit. Aus Göttern, aus Himmel, Erde, Sonne, Mond werden Elemente, über die einer, ER, Gott, verfügt.
Was diese Worte für einen Mut erfordern, darüber kannst Du ja mal nachdenken, wenn Dich Dein Chef das nächste Mal auffordert, beim Steuerbetrug mitzumachen oder den Konkurrenten auf illegale Weise auszutricksen. Du verlörest allerhöchstens den Job, die Schreiber der Genesis riskierten mit diesen Worten ihr Leben. Es waren subversive, revolutionäre Worte, die Kraft hatten, die bestehende Herrschaftsordnung umzuwälzen. Denn mit den Göttern verlören auch die Könige ihre Macht.
Aber es gibt Hoffnung, auch für Deutsche, dass wir die Bibel verstehen können. Denn ein Kamel passt durch ein Nadelöhr. Um das zu verstehen, müsste man sich allerdings auf die Bibel als einen jüdischen Text einlassen. Dann fände man heraus, dass das Nadelöhr ein Tor zu Jerusalem ist. Das ist so schmal, dass ein Kamel nur dann hindurchpasst, wenn es alle Lasten ablegt. Was uns wiederum Folgendes sagt: Wenn wir die Genesis verstehen wollen, dann sollten wir aufhören, unseren Wissensstand als Maßstab zu nehmen. „Wer weise werden will, der werde zuerst zum Narren“, der sollte vorbehaltlos bereit sein, sich auf diesen jüdischen Text einzulassen.
zu Rudolf Bultmann: In der Zeit des Nationalsozialismus schloss Rudolf Bultmann sich der Bekennenden Kirche und dem Pfarrernotbund an. Er wies in Predigten auf Widersprüche zwischen nationalsozialistischer Ideologie und christlichem Glauben hin, übte jedoch keinen offenen Widerstand und blieb daher bis zu seiner Emeritierung 1951 in Amt und Würden. (Wikipedia)